Beruflicher Neustart ist in aller Munde. Kaum eine Woche vergeht, in der man nicht ganz fasziniert von spektakulären beruflichen Neustarts hört oder liest: vom Rechtsanwalt zum Maßschuhmacher, vom Fernsehredakteur zum Detox-Delight-Unternehmer u.s.w. Natürlich, es gibt diese Fälle, in denen Menschen in der Lebensmitte endlich Ihren Herzensjob realisieren konnten. Bravo! Ich habe manchmal den Eindruck, eigentlich sind gefühlte 70 % der „Midager“ im falschen Job. Kann das sein? Oder ist der Wunsch, etwas ganz Neues zu beginnen nicht (auch) eine (vorschnelle) Reaktion auf typische Herausforderungen der Lebensmitte?
Gudrun Happich hat unlängst im Harvard Business Manager einen sehr erhellenden Artikel geschrieben, der u.a. den Wunsch nach einem beruflichen Neustart aus einer anderen Perspektive beleuchtet. So gaben in einer Umfrage, die Frau Happich unter Führungskräften durchgeführt hat, 64 % der Teilnehmer an, dass sie in einem Unternehmenswechsel den Ausweg aus Ihrer (Lebens-)Krise sehen. Ursache hierfür ist wiederum die mangelhafte „Vereinbarkeit von beruflichem Erfolg und persönlicher Erfüllung“, die für die überwiegende Mehrzahl der befragten Führungskräfte wesentlich für ein geglücktes Leben ist. Und damit ist sie auch schon beim Kern: Mangelnde Lebenszufriedenheit führt meist zur Überkompensation durch noch mehr Arbeit (denn das berufsbezogene Belohnungssystem bietet unserem Gehirn schnellere Anreize, Anm. MS), die Unzufriedenheit wird noch größer, das Privatleben noch dürftiger u.s.w. und so dreht sich die Spirale immer schneller in eine Richtung: Ein Job- oder Unternehmenswechsel, krankheitsbedingter Ausfall oder ein beruflicher Neustart werden als „Flucht-Wege“ gesehen. Dies geht jedoch häufig am Kern vorbei. Der wahre Grund für die beschriebenen beruflichen und privaten Krisen liegt häufig in einem Leben, das – in Unkenntnis der eigenen Persönlichkeit, der eigenen Werte, der eigenen Bedürfnisse – sich von äußeren Anreizen (fremd-)steuern lässt. Das eigene Haus muss abbezahlt werden, die Urlaube sind unverzichtbar und der eigene Status in der Gesellschaft verlangt auch entsprechenden Einsatz. Gerade in der Lebensmitte – so stelle auch ich in meinen Coachings häufig fest – tritt die Diskrepanz zwischen dem von äußeren Erwartungen getriebenen Leben und dem eigenen Wesen, den eigenen Wünschen mit Macht ins Bewusstsein.
Was ist zu tun? Machen Sie sich die Mühe (ja, das ist es) und entdecken Sie, wer genau Sie sind (Ihre Wünsche, Fähigkeiten und prägenden Werte) und was Sie wirklich wollen und beginnen Sie dies dann auch in die Tat umzusetzen. So mancher Jobwechselwunsch hat sich dann schon mit anderen, relativ unspektakulären Maßnahmen hin zu deutlich gesteigerter Lebens-Zufriedenheit ändern lassen. Zu den Them berufliche Neuorientierung, Coaching in der Lebensmitte und Standortbestimmung finden Sie auch hier weitere Informationen.
Hier geht’s zum Artikel von Gudrun Happich http://www.harvardbusinessmanager.de/blogs/manager-sind-trotz-erfolg-unzufrieden-mit-work-life-balance-a-957820.html